Kaum etwas ist bei Amateurastronomen unbeliebter als die Zeit zwischen Ende Mai und Mitte Juli, wenn es nachts nicht mehr richtig dunkel wird. Besonders in Norddeutschland ist die "Mitternachtsdämmerung" sehr auffällig; die Sonne sinkt z.B. in Flensburg nur noch gut 12 Grad unter den Horizont, 18 Grad sind notwendig, damit es im astronomischen Sinn dunkel ist. Trotzdem ist es zwischen 23.00 und 04.00 Uhr MESZ dunkel genug, um die allermeisten Sternbilder zu sehen.
Wenn wir uns um Mitternacht am Himmel umsehen, sollten wir beim Großen Wagen beginnen, den wohl jeder kennt. Er steht jetzt fast senkrecht über uns. Verlängert man seine hintere Deichsel nach Norden, so stößt man auf den Polarstern und in der weiteren Verlängerung dieser Linie tief im Norden auf die Kassiopeia, besser bekannt als "Himmels-W". Ein Stück links davon leuchtet knapp über dem durch die Mitternachtsdämmerung aufgehellten Horizont einsam ein heller Stern: es ist Kapella im Sternbild Fuhrmann. Nun drehen wir uns einmal um 180 Grad: genau gegenüber der Kapella funkelt nahe dem südöstlichen Horizont, im Dunst der Großstädte oft kaum erkennbar, ein auffallend rötlicher Stern. Dies ist Antares im Skorpion, einem Sternbild des Südhimmels, das in Mitteleuropa niemals ganz sichtbar ist.
Kehren wir wieder zum Großen Wagen zurück und verlängern jetzt in Gedanken die Krümmung seiner Deichsel. Bald schon stoßen wir auf einen sehr hellen, gelblich leuchtenden Stern, Arktur im Sternbild Bärenhüter. Wenn wir die erwähnte gekrümmte Linie noch weiter ziehen, finden wir einen weiteren hellen Stern, der in blau-weißem Licht funkelt. Es ist Spica, der Hauptstern der Jungfrau. Nun benötigen wir noch einmal die hintere Deichsel des Großen Wagens, die wir jetzt nicht zum Polarstern, sondern in die entgegengesetzte Richtung verlängern. Schon nahe des Westhorizonts treffen wir auf einen auffälligen Stern namens Regulus. Er ist der hellste Stern einer ausgedehnten Sternenkonstellation, in der man ohne allzu große Fantasie einen Löwen erkennen kann. Regulus, Arktur und Spica bilden das sogenannte Frühlingsdreieck. Nicht dazu gehört ein Lichtpunkt, der viel heller als alle Sterne nordwestlich des Löwen knapp über dem Horizont ins Auge springt: es ist der Planet Jupiter, der auf seiner Wanderung entlang des Tierkreises in diesem Sommer auf dem Weg vom Krebs in den Löwen ist.
Nun drehen wir uns noch einmal um 180 Grad, sodass wir nach Osten blicken. Dort fallen sofort 3 helle Sterne auf, die nicht allzu weit auseinanderstehen. Recht tief am Himmel leuchtet Atair im Adler, höher und weiter im Nordosten folgt Deneb im Schwan, der einem riesigen fliegenden Vogel gleicht. Noch höher steht die bläulich funkelnde Wega im kleinen Sternbild Leier. Diese drei auffälligen Sterne, die im August/September den abendlichen Himmel dominieren, werden als Sommerdreieck bezeichnet.
Während Sie nun vielleicht ein paar Stunden schlafen, dreht sich die Erde weiter und damit ändert sich auch der Anblick des Sternenhimmels. Wenn Sie um 4 Uhr aufstehen, um zur Beobachtung der SoFi aufzubrechen, ist es zumindest in der Mitte und im Süden des deutschen Sprachraumes noch dunkel genug für einen weiteren Blick zum Sternenhimmel. Was hat sich zwischenzeitlich getan? Als erstes fällt auf, dass Jupiter verschwunden ist. Er ist im Nordwesten untergegangen, ebenso wie Jungfrau und Löwe. Vom Frühlingsdreieck ist nur noch Arktur geblieben. Das Sommerdreieck hingegen steht jetzt fast senkrecht über unseren Köpfen. Immer noch funkelt am aufgehellten Nordhorizont die Kapella, jetzt aber eher Richtung NNO. Wir drehen uns wie bereits am Abend um 180 Grad und da ist Richtung SSW wieder der rötliche Antares zu sehen. Wenn Sie nun weiter nach links dorthin schauen, wo Antares vor ein paar Stunden zu sehen war, werden Sie vielleicht ziemlich irritiert sein, dort erneut einen rötlichen, aber viel helleren Himmelskörper zu sehen, den Sie dazu noch auf Ihrer Sternkarte gar nicht finden. Es ist der Planet Mars, der diese an hellen Sternen arme Himmelsgegend etwa belebt. Wenn Sie nun überrascht sind, wie hell unser Nachbarplanet ist - er wird bis Ende August noch viel heller werden, so hell wie ihn noch niemals ein Mensch gesehen hat. Informationen dazu finden Sie HIER.
Kurz bevor sich die Sonnensichel am Morgen des 31.05.03 über den Horizont schiebt, können Sie bei klarer Sicht vielleicht im Nordosten die gerade aufgegangene Venus am schon fast taghellen Himmel erkennen. Bessere Chancen dazu haben Sie aber wahrscheinlich etwa später, wenn der "Morgenstern" sich aus dem ärgsten Horizontdunst gelöst hat. Zwar ist dann bereist die Sonne aufgegangen. Da diese aber zu mehr als 4/5 verfinstert ist, wird sie es vermutlich nicht schaffen, die Venus zu überstrahlen. Venus ist etwa 3 Faustbreiten (am ausgestreckten Arm messen!) rechts von der Sonne zu finden. Versuchen Sie aber keinesfalls mit einem Fernglas nach der Venus zu suchen. Ein versehentlicher Schwenk zur Sonne kann zu schwersten Sehschäden bis hin zur Erblindung führen!.
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