VOR DER FINSTERNIS (29. - 30.05.03)
Übersichtskarte Akureyri - Mývatn (JPEG, 282 kb)
Obwohl ich hundemüde bin, finde ich nicht mehr als 6 Stunden Schlaf. Ich lasse den DONNERSTAG dann aber ruhig angehen, ein besonderes Programm habe ich heute ja nicht. Natürlich schaue ich mir die neuesten Wetterberichte im Internet an; es gibt jetzt vom isländischen Wetteramt eine spezielle SoFi-Wettervorhersage. Die zentrale Rolle spielt ein gewaltiges Tiefdruckgebiet, das südlich von Island liegt und sich der Insel nähert. Entscheidend wird sein, mit welcher Geschwindigkeit es das tun wird. Auf jeden Fall ist bereits so gut wie sicher, dass es im Süden und wohl auch im Osten kaum Chancen auf eine erfolgreiche Beobachtung geben wird. Wir werden uns also wohl im Umkreis von 100 bis 150 km um den Mývatn aufhalten - Gewalttouren stehen nicht an.
Ich erhalte eine e-mail von Max Schwendenwein mit der Bitte, mich um die Öffnung der Cafeteria im Flughafen während der Standzeit des Airbus in Akureyri zu kümmern. Ich fahre also am Nachmittag zum Airport raus, um mein Anliegen dort vorzutragen. Die Leiterin der Cafeteria ist nicht da, aber eine Mitarbeiterin bemüht sich darum, sie zu erreichen. Wider Erwarten dauert es nur 15 Minuten, bis ich das ok bekommen. Ich sehe mich noch kurz in der Umgebung des Airports um, welche Möglichkeiten für Spaziergänge man den Fluggästen während ihres rund 4stündigen Aufenthaltes hier anbieten könnte. Dabei entstehen auch die nachfolgenden Fotos.
Beschaulich: der Flughafen von Akureyri
Ornithologisch interessant: Flussebene beim Flughafen
Nordisches Landschaftsbild: das Tal der Eyjarfjarðará
Am FREITAG schlafe ich so lange wie möglich, dusche dann und nehme den Umzug in mein neues Quartier in Angriff. Da dort niemand ist, frühstücke ich zunächst in der Bakerið við Brúna und versuche es dann erneut. Diesmal ist immerhin die Nachbarin da, eine ältere Dame, die nur wenig Englisch versteht und spricht. Sie will Úlla, der Gastwirtin mitteilen, dass ich da war. Und dann möchte sie noch wissen, ob es in Deutschland SARS gäbe.
Was es in der Tourist Information gibt, ist eine organisierte Bustour zur SoFi-Beobachtung am Ólafsfjarðarmúli an der Straße von Dalvík nach Ólafsfjörður (Beschreibung als PDF-Datei, 562kb). Es dürfte sich wohl um den Parkplatz an der Tunneleinfahrt handeln, den ich noch am letzten Samstag aufgesucht habe. Jedenfalls verkauft sich das Angebot gut. Während ich am Internet-PC sitze, gehen einige Buchungen ein. Zum ersten Mal ist hier richtig was los; sicher sind das nicht alles SoFi-Touristen. Einige haben wohl erst hier erfahren, dass eine Finsternis ansteht und nehmen diese gerne als zusätzlichen Höhepunkt ihres Urlaubs mit. Dennoch: es sind definitiv mehr Fremde in der Stadt als noch vor 2 Tagen.
Verlockend: Angebot für Bustrip zur SoFi
Herrliches Wetter empfängt mich vor der Tourist Information, und sowohl Friðrik, der Herbergsvater, als auch die Leute in der Information meinen, dass es schön bliebe. Im Wetterbericht wurde gestern für unsere Region eine Wahrscheinlichkeit von 70% für gutes SoFi-Wetter angegeben.
Vielversprechend: das Wetter am Morgen des 30.05.03
Satellitenbilder (Falschfarben, Ausschnitte) von NOAA 17 bzw. NOAA 16 vom 30.05.2003, 11.12 UT und 12.06 UT. Image courtesy to Dundee Satellite Receiving Station, Dundee University, Scotland.
Nach ein paar kleinen Besorgungen geht es in die Bibliothek, wo ich Internet-Zeit reserviert habe; ich wusste ja nicht, ob ich in der Tourist Information dran komme. Ich lade einige Dateien und Wetterkarten auf Diskette runter. In den Foren ist nicht viel los, die Leute sind ja alle unterwegs; Jay Pasachoff postet einen kurzen Bericht aus Reykjavík, wo er Fred Espenak getroffen hat, der mit einer Gruppe von 20 Leuten auf dem Weg nach Norden ist. Pasachoff will, wenn das Wetter nicht mitspielt, ein Flugzeug chartern.
Im Polarlicht-Forum sind alle ganz aus dem Häuschen: in der Nacht hat es gewaltige Polarlichter bis hinunter nach Wien gegeben, es war das stärkste Ereignis in Mitteleuropa seit dem 22./23. Oktober 2001. Kurz bevor ich mich auslogge, kommt dann endlich im Wetterzentrale-Forum das ersehnte Posting von Joachim Schug (Meteotest Bern), einem Bekannten von Markus Burch. Er hat speziell für uns auf Wunsch von Markus ganz aktuelle Wolkenprognosen erstellt. Demnach liegt die Wahrscheinlichkeit für Bewölkung in der kommenden Nacht bei 80% (GIF-Karte, 73kb), die Wahrscheinlichkeit für niedrigliegende Bewökung aber nur bei 20% (GIF-Karte, 71kb). Andere Modelle prognostizieren, dass es sich auch in Nordisland ganz zuziehen wird, die Frage ist nur wann. Entscheidend ist nach wie vor, wie schnell das riesige Tief im Süden sich uns nähert.
Nach dem Verlassen der Bibliothek kann ich dann auch endlich mein Quartier beziehen, die Vermieterin ist jetzt da.
Satellitenbilder (Falschfarben, Ausschnitte) von NOAA 16 vom 30.05.2003, 13.47 UT und 15.29 UT. Image courtesy to Dundee Satellite Receiving Station, Dundee University, Scotland.
Um 14.30 Uhr erreiche ich bei durchaus noch schönem Wetter den Mývatn. Über einigen harmlosen Schönwetterwolken, die vor allem über der Hochfläche treiben, liegt eine dünne Decke sehr hoher Bewölkung. Noch kann die Sonne diese durchdringen. Es ist sogar ausgesprochen warm, wir sehen einen großen "Dust Devil", als wir mit mehreren Leuten einen Spaziergang durch den kleinen Ort unternehmen. Zunächst geht es in den Supermarkt, dann zur Rezeption der Pension Eldá, zu der auch Birkihraun 11 gehört. Dort hängen aktuelle Karten zum SoFi-Wetter aus, demnach wird es sich immer mehr zuziehen, am besten sieht es westlich von hier aus. Plötzlich wird eine Fahrt nach Sauðárkrókur zur denkbaren Option. Durch 2 Telefonate, die ich zwischenzeitlich mit Alexander Birkner geführt habe, weiss ich, dass die Ostfjorde bereits zugezogen sind. Ich habe ihm geraten, soweit wie möglich Richtung Mývatn - Húsavík zu fahren.
Wir gehen zum Hotel hinüber, vor dem unübersehbar die Mietwagen von "Ring of Fire-Expeditions", einem amerikanischen Astroreise-Veranstalter, stehen. Wir werfen einen Blick in den Tagungsraum, in dem diese Gruppe sitzt und bekommen mit, dass sie auch Ziele weiter westlich diskutieren. Nun ja, wir trinken erst einmal nebenan in dem netten Restaurant Kaffee, dazu gibt es Zimtschnecken aus Mürbeteig (noch besser als mit Kaffee schmecken die mit Kakao). Als wir zum Quartier zurückgehen, weht plötzlich ein kräftiger Wind.
Nach einem kleinen Abendbuffet, bei dem meine Nachricht von den Polarlichtern in Mitteleuropa leichten Frust verbreitet, wird es dann ernst. Wir checken die Materialien (z.B. Meteosat-Bild von 12.00 UTC; 76 kb, Wetterkarte; 22kb und Regionale Vorhersagen; 29kb des Isländischen Wetterdienstes), die ich aus dem Internet heruntergeladen haben. Jón, der Besitzer von Birkihraun 11, steuert 2 aktuellere Satelliten-Bilder bei. Es bleibt dabei: wir müssen unser Glück irgendwo zwischen Tjörnes und Skagafjörður versuchen. In Anbetracht der zunehmenden Dicke der hohen Bewölkung scheiden die Stellen im Landesinneren wohl aus. Da trotz der warmen Temperaturen, die heute zeitweise herrschten, nach meiner Erfahrung nicht mit Seenebel zu rechnen ist, spricht alles für die nach Norden herausragenden Landzungen. Ich gehe in diesem Moment davon aus, dass wir mit hoher Wahrscheinlichkeit dort beobachten werden, wo es alle tun: in oder bei Ólafsfjörður. Daher zeige ich den anderen noch einmal die Fotos, die ich vergangene Woche dort aufgenommen habe (zu sehen in einer PDF-Datei, 562kb) .
Professionell: Markus Burch analysiert die Wetterdaten
Entsprechend der jetzigen Erkenntnislage entwerfen wir unsere Strategie: ich werde um 21.00 Uhr nach Akureyri fahren und dort am Flughafen Stellung beziehen. Ich rufe deshalb jetzt noch einmal Max Schwendenwein an und bitte ihn, vor der Landung auf die Bewölkungssituation zu achten. Um 22.00 Uhr werden Elisabeth und Uwe nach Húsavík aufbrechen, um die Situation im Bereich Tjörnes zu begutachten. Die anderen warten im Quartier und behalten natürlich dabei die Bewölkungslage hier im Landesinneren im Auge. Um 23.00 Uhr gibt es eine Dreierkonferenz per Telefon, bei der entschieden wird, wo es hingeht. Eine Fahrt nach Sauðárkrókur wäre dann zeitlich noch bequem möglich. Mit diesem Stand der Dinge legen sich die meisten noch einmal ins Bett, um nachher fit zu sein. Ich unterhalte mich bis zu meiner Abfahrt mit Rainer Wierzba, der einiges über Formentera zu berichten weiss.
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